Barrierefreiheit für Verlage vor allem im E-Commerce relevant

München (17.11.2022)

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), welches Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Produkte und Dienstleistungen für die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen zugänglicher zu machen und somit eine inklusive Gesellschaft zu stärken, stand im Fokus des Mittagstalks. Dieser fand am 14. November 2022 unter dem Titel “Watch Out! – Wie Sie Ihre Medien barrierefrei machen” statt. Rechtsanwalt Dr. Holger Weimann, ADVANT Beiten, stellte den anwesenden Medienschaffenden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Gesetzes und die entsprechenden Konsequenzen für die Verlage vor. Eine konkrete Lösung zur barrierefreien Gestaltung von Inhalten kann dabei der Ausbau von Audio-Strategien sein, wie Johannes Garbarek, CEO der ahearo GmbH, erklärte.

“In Deutschland leben zehn Millionen Menschen mit einer amtlich anerkannten Behinderung. Jeder Dritte der 22 Millionen Deutschen über 65 Jahre gilt als schwerhörig. Viele unserer Leserinnen und Leser haben im Alter Probleme mit dem Sehen. Für Medienunternehmen, die ihre hochwertigen Inhalte der ganzen Breite der Gesellschaft zur Verfügung stellen wollen, ist es daher relevant, den Zugang zu diesen Informationen zu erleichtern und bereits jetzt erste Weichen für den barrierefreien Zugang zu ihren Webseiten zu stellen.” Mit diesen Worten begrüßte Horst Ohligschläger, Erster Vorsitzender des MVFP Bayern und CEO Roularta Media, die zahlreichen Gäste des informativen und kurzweiligen Mittagstalks, durch den er gemeinsam mit der Geschäftsführerin der bayerischen Landesvertretung des MVFP, Anina Veigel, führte.

Zu Beginn gab Dr. Holger Weimann, Partner bei ADVANT Beiten, den Teilnehmenden seine juristische Einschätzung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und erläuterte, welche Veränderungen durch die Einführung des Gesetzes ab dem 28. Juni 2025 auf die Verlage zukommen. Barrierefrei im Sinne des Gesetzes seien Leistungen, die es auch Menschen mit Behinderungen ermöglichen, sie ohne fremde Hilfe zu finden und zu nutzen. “Das geht in vielen Fällen nur dadurch, dass Informationen nach dem Zwei-Sinne-Prinzip wahrnehmbar gemacht werden. In der praktischen Umsetzung läuft dies vor allem auf seh- und hörbare Inhalte hinaus”, so Weimann. Allerdings gibt es für Zeitschriftenverlage keine Pflicht, ihre redaktionellen Inhalte hörbar zu machen oder in Braille-Schrift anzubieten. Dies gilt ebenso wenig für archivierte Inhalte. In erster Linie zielt das Gesetz auf den E-Commerce-Bereich ab. Da Verlage ihre Angebote auch in ihren eigenen Onlineshop verbreiten, unterliegen Sie wie jeder E-Commerce-Anbieter den Pflichten der Barrierefreiheit ab dem Sommer 2025.

Weiter empfahl Weimann den anwesenden Medienschaffenden, bei der Bereitstellung von Audioinhalten auf das Urheberrecht zu achten. “Für die Zeitschriftenverlage macht die Art und Weise der audiozugänglichen Inhalte einen großen Unterschied. Wenn man als Verlag Inhalte hörbar macht, also zum Beispiel einen Audiostream anbietet, braucht man unter Umständen die Nutzungsrechte der beteiligten Urheber. Lässt sich dagegen der Benutzer Texte maschinell vorlesen, muss der Verlag keine besonderen Nutzungsrechte vereinbaren”, so Weimann.

Den Handlungsbedarf in der Umsetzung von barrierefreien Inhalten unterstrich anschließend Johannes Garbarek, CEO und Founder der ahearo GmbH, einem Full-Service-Audio-Publishing-Anbieters. 96,8 Prozent aller Startseiten von Webseiten sind demnach nicht ausreichend für die Anforderungen von Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen vorbereitet. “Es gibt messbare Hindernisse, die den Zugang zu den Webseiten erschweren. Zum Beispiel gibt es häufig keine Möglichkeiten, die Kontrastverhältnisse auf Webseiten zu ändern und sich Inhalte mit einer spezialisierten Sprachsoftware vorlesen zu lassen”, so Garbarek. Den anwesenden Medienschaffenden empfahl Garbarek über entsprechenden Tools im Internet zu testen, wie die eigenen Webseiten aufgestellt sind.

Webseiten müssten nach Tim Berners-Lee wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet seien. Eine Lösung kann dabei das Verwenden von Audioangeboten sein, die von ihrer Datenstruktur so robust sind, dass die Technologien auch anwendbar sind. “Im Bereich der technischen Möglichkeiten gibt es allerdings bislang noch zu viel Ablehnung und Unwissenheit. Daher muss klarer definiert werden, was bei der Umsetzung verpflichtend ist und was nicht”, so Garbarek.

“Medien haben im Umgang mit beeinträchtigten Menschen eine Vorbildfunktion für den Zusammenhalt der Bevölkerung. Daher lohnt es sich, seine eigenen Webseiten zu prüfen und im Sinne einer inklusiven Gesellschaft barrierefrei zu gestalten. Medienhäuser profitieren gleichermaßen – denn ein verbessertes Nutzererlebnis führt auch zu gesteigertem Interesse an unseren Inhalten”, so Anina Veigel, Geschäftsführerin MVFP Bayern.

Über den MVFP Bayern (ehemals VZB):

Der MVFP Bayern – ehemals Verband der Zeitschriftenverlage in Bayern (VZB) – ist die bayerische Landesvertretung des MEDIENVERBAND DER FREIEN PRESSE. Erster Vorsitzender ist Horst Ohligschläger, CEO Roularta Media Deutschland. Der Verband vertritt die Interessen von rund 100 bayerischen Zeitschriftenunternehmen (u.a. Hubert Burda Media, Condé Nast Verlag, Vogel Communications Group, Wort und Bild Verlag). Seit seiner Gründung 1948 ist es die Hauptaufgabe des Verbandes, bayerische Verleger bei grundlegenden unternehmerischen Herausforderungen zu unterstützen.
Website: www.mvfp-bayern.de

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